Überblick
Aus dem einleitenden Teil: "Es ist nicht lange her, da war Michel Foucaults Werk für die deutschen Sozialwissenschaften nicht viel mehr als eine Randnote, eine mit Vorsicht zu genießende zumal. Sicher: so mancher Text ließ sich mit dem einen oder anderen Foucault-Zitat gut schmücken. Doch existierte Foucault im sozialwissenschaftlichen Mainstream weniger als ernstzunehmende Referenz, denn als imaginärer Anderer, der es Kritischen Theoretikern, Hermeneuten u. Phänomenologen erlaubte, sich ihrer Ablehnung "postmoderner Beliebigkeit" zu vergewissern. Zu viele irritierende Fragen verbanden sich mit Foucaults Person und Projekt: nach der disziplinären Verortung etwa (Geschichte? Philosophie? Sozialwissenschaften?), nach einer griffigen Methodik u. systemat. Theorie (Warum schreibt der so blumigmäandernde Texte?) und nicht zuletzt danach, wie es Foucault eigentlich mit Wahrheit u. Rationalität halte (Mal ehrlich: wie sollen wir noch Wissenschaft betreiben, wenn wir uns ihrer Grundfesten nicht mehr sicher sein können?). Wie hat sich die Situation gewandelt: Vorbei sind die Zeiten, in denen Foucaults "Nihilismus" oder "Jung-Konservatismus" gebrandmarkt wurde. Nicht nur in den Analysen, die sich mit Macht, Diskurs und Sexualität befassen, hat Foucault den Vertretern mitteleuropäischer Diskussionslinien den Rang abgelaufen. Als intellektueller Referenzpunkt des "Poststrukturalismus" wird er nun auf Augenhöhe mit modernen Gesellschaftstheoretikern von Weber bis Luhmann gehandelt. (...)"